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Michael Kretschmer im Interview mit der Rheinischen Post

Im Interview mit der Rheinischen Post positioniert sich Michael Kretschmer unter anderem zu den aktuellen Diskussionen um die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine, macht deutlich, welche Auswirkungen ein Gas-Embargo hat und fordert ein Umdenken der Bundesregierung in Bezug auf die Abschaltung von Atom- und Kohlekraftwerken. Lesen Sie hier eine Zusammenfassung.

Sachsens Ministerpräsident und Landesvorsitzender der Sächsischen Union plädiert dafür, die Preissteigerung beim Erdgas nicht durch Diskussionen um ein Embargo von russischem Erdgas zusätzlich anzutreiben. „Wenn wir uns von russischem Erdgas, Erdöl und russischer Kohle lösen, brauchen wir andere Bezugsquellen“, so Kretschmer. Derzeit bezieht Deutschland Kohle zum Preis von 70 Euro pro Tonne aus Russland. Auf dem Weltmarkt würde man bei neuen Bezugsquellen bei 200 bzw. 300 Euro pro Tonne einsteigen. Bei Gas läge der Preis im Vergleich zum jetzigen Bezug um ein Fünffaches höher. Zusätzlich würden die Preissteigerungen durch den Krieg in der Ukraine und die Ankündigung Putins, dass Gaslieferungen in Rubel zu bezahlen seien, für Spekulationen auf den Märkten und damit auch zu Risikoaufschlägen führen. Michael Kretschmer: „Ein tatsächliches Embargo würde unsere ökonomische Situation verschlechtern und wirtschaftlich schwächere Länder in die Arme Russlands treiben. Es gibt mehr Gründe dafür, warum wir ein Embargo tunlichst vermeiden sollten.“

Ein tatsächliches Embargo würde unsere ökonomische Situation verschlechtern und wirtschaftlich schwächere Länder in die Arme Russlands treiben. Es gibt mehr Gründe dafür, warum wir ein Embargo tunlichst vermeiden sollten.

Michael Kretschmer

Laufzeiten für Atom- und Kohlekraftwerke verlängern

Da man nicht in der Hand habe, wie zuverlässig Russland weiter Gas liefere, dürfe man die deutsche Wirtschaft nicht weiter schwächen, macht Kretschmer deutlich, dass eine stabile Energieversorgung für das Industrieland Deutschland unverzichtbar ist. „Deshalb müssen wir uns selbstverständlich über den Ausbau der erneuerbaren Energien unabhängig machen und mit Wasserstoff neue Märkte erschließen“, so der CDU-Landesvorsitzende.

Michael Kretschmer kritisiert im Interview mit der Rheinischen Post zudem den Umgang der Bundesregierung mit dem geplanten Kohleausstieg 2030 und der geplanten Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke: „Mir ist noch nicht klar, wie der Atomausstieg bis Ende des Jahres und der Kohleausstieg bis 2030 gleichzeitig gelingen soll, wenn wir nicht auf zusätzliches Gas aus Russland und neue Gaskraftwerke setzen wollen. Herr Habeck weigert sich bisher, hier eine transparente Rechnung aufzustellen, weil er selbst merkt, dass sie nicht aufgeht. Wenn man Deutschlands Wohlstand nicht aufs Spiel setzen will, müssen die Atom- und Kohlekraftwerke länger laufen.“

Im Umfeld der Querdenker-Szene gibt es mittlerweile Tendenzen, dass diese zur pro-russischen Bewegung wird. Nach Auffassung Kretschmers, werde in der Szene Propaganda betrieben, um unsere Gesellschaft ganz gezielt zu spalten. In der Vergangenheit sei dies die Flüchtlingskrise gewesen, danach Corona und nun der Krieg in der Ukraine, der instrumentalisiert werde. Dagegen brauche es ein hartes Vorgehen, betonte Kretschmer und nennt beispielsweise das Verbot des russischen Staatssenders Russia Today oder ein härteres Vorgehen gegen extremistische Gruppen auf der Plattform Telegram.

Russland führt in der Ukraine einen mörderischen Krieg. Die Solidarität mit diesem europäischen Land ist zu Recht sehr groß. Deutschland leistet enorm viel, aber wir dürfen nicht zur Kriegspartei werden.

Michael Kretschmer

Es braucht Deutschland als Brückenbauer und Moderator

In der Zuschreibung, er sei „Putin-Versteher“ sieht Kretschmer vor allem den Versuch eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung mit Argumenten zu verhindern. „Ich sehe mit großer Sorge, dass momentan stabile Leitplanken deutscher Außen- und Sicherheitspolitik sehr schnell eingerissen werden. Deutschland hat es bislang aus gutem Grund abgelehnt, Waffen in Kriegsregionen zu liefern“, begründet Michael Kretschmer seine Haltung, kein schweres Kriegsgerät an die Ukraine zu liefern. Ebenso stellt er die Frage, wer jetzt die so wichtige Rolle eines Moderators übernehmen könnte, um ein möglichst schnelles Ende des Krieges herbeizuführen. Bisher hatte Deutschland die Rolle des Brückenbauers und Moderators. Michael Kretschmer warnt in diesem Zusammenhang eindringlich davor, dass Deutschland zur Kriegspartei werden könnte: „Russland führt in der Ukraine einen mörderischen Krieg. Die Solidarität mit diesem europäischen Land ist zu Recht sehr groß. Deutschland leistet enorm viel, aber wir dürfen nicht zur Kriegspartei werden. Wir würden eine Linie überschreiten, wenn wir Panzer oder Flugzeuge liefern oder gar eine Flugverbotszone einrichten. Diese Linie gilt es zu halten.“

Im Zuge des Krieges kommt eine Vielzahl von Flüchtlingen aus der Ukraine in Deutschland und Sachsen an. Michael Kretschmer sieht nach wie vor eine sehr große Solidarität und Bereitschaft der Sachsen, den Menschen aus der Ukraine zu helfen. Darüber hinaus gäbe es einen gemeinsamen Geist von Bund und Ländern, der sich unter anderem beim Zwei-Milliarden-Paket des Bundes für die Flüchtlingskosten zeige. Sollte sich die Situation weiter verschärfen, müsse man hier aber nachlegen.

Es gehe jetzt auch darum, mit Begriffen wie Rezession oder Wohlstandsverlust vorsichtig zu sein.
Michael Kretschmer: „Friedrich Merz weist auf eine reale Gefahr hin. Die letzte Rezession in Deutschland hat zwei Millionen Arbeitsplätze gekostet. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass es diesen Wohlstandsverlust nicht gibt. Es gibt Dinge, die wir nicht in der Hand haben, beispielsweise, dass der Krieg zu Verknappungen führt. Das darf man aber nicht nur beklagen. Wir müssen aufhören, Unsicherheit auf dem Markt zu stiften und unsere Volkswirtschaft womöglich zu ruinieren.“

Entlastungspaket der Ampel nicht ausgegoren

Das sogenannte Entlastungspaket der Ampel sieht Michael Kretschmer als nicht wirksam an. Es liege noch immer nichts Konkretes vor. „Es ist nicht ausgegoren, was die Ampel verkündet hat. Das sehen wir schon beim Neun-Euro-Ticket, das zu einer Entlastung der Berufspendler führen soll und in den Sommermonaten kommt, wo ein Großteil der Menschen im Urlaub ist“, kritisiert Michael Kretschmer das Agieren der Bundesregierung.

Das gesamte Interview (hinter der Bezahlschranke) finden Sie hier: https://rp-online.de/politik/deutschland/sachsens-ministerpraesident-michael-kretschmer-wir-wuerden-eine-linie-ueberschreiten-wenn-wir-panzer-liefern_aid-68057435